03. - 07. März  2015 Berlin:  
1. Kaderqualifikation DVMF

7. März 2015, Berlin
Vier bayerische Fünfkämpfer bei der Kaderqualifikation in Berlin

Nachdem die Münchnerin Anne Kleidon und der Nürnberger Tobias Hierl kurz vor Weihnachten die Norm für den D/C-Kader geschafft hatten und so seit Anfang 2015 dem Bundeskader angehören, galt es am 6./7. März bei der ersten Kaderqualifikation des Jahres 2015 die im Dezember gezeigte Leistung zu bestätigen. Da auch nahezu alle deutschen Kaderathleten und Kaderaspiranten bei dieser Gelegenheit aufeinander trafen, war es die erste ernstzunehmende nationale Standortbe-stimmung im neuen Wettkampfjahr.

Für den Bayerischen Landesverband für Modernen Fünfkampf hatte die Kaderqualifikation darüber hinaus eine zusätzliche Bedeutung: Seit September 2014 besuchen Anne und Tobias eine Leis-tungssportschule in England und kombinieren so ein Auslandsschuljahr und Trainingsmöglichkeiten, die in etwa denen an den Sportschulen in Potsdam und Berlin entsprechen. Nach gut einem halben Jahr Schule und Fünfkampf-Training in England bot es sich an, den Wettkampf in Berlin für eine Zwischenbilanz zum Potential dieses Experiments zu nutzen.

Tobias (Jahrgang 1998) durfte als jüngerer Jahrgang der Jugend A zum ersten Mal an der Kaderqua-lifikation der Männer und Junioren teilnehmen. Bis auf den zweimaligen Olympiateilnehmer Stef-fen Gebhardt, der verletzungsbedingt fehlte, musste er gegen die gesamte deutsche Spitze antre-ten. Nur in den Kaderqualifikationswettkämpfen im März und Dezember und bei den Internationa-len Deutschen Meisterschaften im Mai oder Juni kann man sich mit den jeweils höchstklassigen nationalen Teilnehmern messen und die Normen für höhere Kader erfüllen. Tobias hatte sich vor dem Wettkampf zwar schon mal die Kriterien für den C-Kader angesehen, aber da er ja das erste Mal gegen die deutschen Top-Athleten fechten musste, hatte er keine realistische Chance als jüngster Jahrgang im Teilnehmerfeld auf Anhieb die C-Kader-Norm zu erreichen.

Anne Kleidon (Jahrgang 1999) durfte aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur Jugend B ebenso noch nicht im Fünfkampf der Frauen und Juniorinnen starten wie die gleichaltrige Nürnbergerin Lea Smirnov, die Mitte Februar an die Sportschule in Potsdam gewechselt war. Beide bestritten gemeinsam mit allen Mitgliedern und Aspirantinnen des D/C-Kaders einen Dreikampf. Auch Dominik Olejarz (eben-falls Jahrgang 1999) aus Wangen bei Starnberg startete im Dreikampf des Qualifikationswettkampfs für den D/C-Kader.

Den Auftakt des Wettkampfwochenendes bildete für alle Athletinnen und Athleten das Schwim-men am Freitagabend im Hallenbad des Berliner Landesleistungszentrums. Und was war das für ein furioser Auftakt für die Bayern! Ausnahmslos alle schwammen neue Bestzeiten, teilweise mit enormen Leistungssteigerungen. So zeigte Dominik hervorragende 2:22,0 min, obwohl er nach wie vor nur drei Mal pro Woche Schwimmen trainiert. Auch Lea konnte sich mit 2:24,5 min  gegenüber den letztjährigen Meisterschaften der Jugend B um sagenhafte 14 Sekunden verbessern, obwohl sie erst seit Mitte Februar intensiv trainiert. Aber die sicherlich herausragendste Verbesserung ge-lang Anne, die in der Ergebnisliste der letztjährigen Meisterschaften der Jugend B noch mit 2:51,9 min geführt wird: Sie brillierte mit 2:23,0 min und erreichte damit die zweitschnellste Schwimmzeit des Feldes. Aber auch Tobias war zufrieden. Er verbesserte sich gegenüber der letztjährigen Ju-gend B Meisterschaften zwar „nur“ um ca. 9 Sekunden, unterbot aber mit 2:19,2 min erstmals die wichtige Grenze von 2:20 min.

Beim Abendessen hatten sich die Bayerischen Athleten viel zu erzählen. Zwar sind sie trotz der großen räumlichen Distanz zwischen Bayern, Potsdam und England über Facebook, WhatsApp usw. in regelmäßigem Kontakt, aber der Austausch „face to face“ hat natürlich eine ganz andere Quali-tät. Und so mussten die Betreuer darauf achten, dass rechtzeitig die Disziplin „an der Matratze hor-chen“ gestartet wurde. Denn zumindest Tobias musste am Samstag bereits früh raus.

Um 8:30 Uhr wurden die Pferde für das Reiten des Fünfkampfs der Männer und Frauen gelost. Bei der anschließenden Parcoursbegehung musste Tobias schon ein paar Mal schlucken. Der Parcours der Kaderqualifikation der Großen stellte doch erheblich höhere Anforderungen als die Parcours der Jugend B Wettkämpfe. Die etwa einen Meter hohen Sprünge und eine anspruchsvolle Abfolge der Hindernisse machten Tobias nochmal klar, dass dieser Wettkampf höhere Anforderungen stell-te als das was er bislang bestritten hatte. Dazu kam, dass er in der ersten Hälfte des 20-minütigen Abreitens durchaus Mühe hatte, sich auf sein zugelostes Pferd „Farah Diva“ einzustellen. Aber dank der ausgezeichneten reitsportfachlichen Betreuung durch Annes Mutter Susann Kleidon, ka-men beide am Ende des Abreitens gut miteinander zurecht. Und so lieferte Tobias einen beeindru-ckend selbstsicheren, schnellen und fehlerfreien Ritt ab. Die Maximalpunktzahl von 300 Punkten bei seinem ersten „großen“ Parcours ließen ihn übers ganze Gesicht strahlen.

Nach einem kleinen zweiten Frühstück stand mit dem Fechten die für ihn am schwierigsten zu kal-kulierende Disziplin an: Noch nie hatte er in einem hochklassigen Wettkampf gegen Junioren oder gar Männer fechten müssen. Aber in dem Wissen, dass das Fechttraining an seiner englischen Schule von durchaus hoher Qualität ist, ging er frisch, fromm, fröhlich, frei ans Werk und so lief es für ihn besser als erwartet. Sogar gegen ein paar B-Kader-Athleten konnte er in teilweise sehens-werten Gefechten jeweils Unentschieden und gegen C-Kader-Athleten sogar Siege herausholen. Zwar ließen am Ende die Kräfte und auch die Konzentration etwas nach, aber angesichts der Tatsa-che, dass er sich als jüngster Jahrgang und noch dazu ohne fechtsportfachliche Betreuung allen großen Namen des deutschen Fünfkampfs stellen musste, konnte er seine 17 gegebenen gegen 20 erhaltenen Treffer als beeindruckendes Ergebnis verbuchen. Aber für ihn persönlich war das aus-drückliche Lob des Bundesnachwuchstrainers für den „Newcomer“ einschließlich ein paar konkre-ter Tipps für die Zukunft neben den 300 Reitpunkten wohl das wertvollste Ergebnis des gesamten Wettkampfs.

Während des Fechtens der Männer fanden die Combined Events des B-Jugend-Dreikampfes statt. Allerdings mussten auch die B-Jugendlichen das Combined Event im Format der „Großen“ (A-Jugend und älter) absolvieren und jeweils 4x schießen und 4x 800 m laufen. Dominik schoss gut, ging beim Laufen sogar fast über seine Grenzen hinaus und belohnte sich mit einer Zeit von 13:31,0 min. Auch Lea lief gut, musste aber beim Schießen viele Fehlschüsse wegstecken und kam mit 15:07,0 min ins Ziel. Aber den Vogel schoss schließlich Anne ab: Obwohl sie beim Laufen ihr Potenti-al nicht ganz abrufen konnte – möglicherweise auch aufgrund einer erst kürzlich durchlittenen Ma-gen-Darm-Erkrankung – kam  sie dank einer sensationellen Schießleistung (durchschnittliche Schießzeit 13,5 Sekunden!) mit deutlichem Abstand als Erste ins Ziel. Nach der zweitbesten Schwimmzeit war es schließlich die schnellste Combined Zeit des ganzen Feldes, die diesen grandi-osen Erfolg komplett machte. Mit insgesamt 736 Punkten gewann Anne nicht nur überlegen den D/C-Kader Qualifikationswettkampf, sondern sicherte sich mit einer deutlichen Übererfüllung der D/C-Kader-Norm auch gleich ihre Kader-Zugehörigkeit für das noch ferne Jahr 2016.

Als letzter der bayerischen Athleten musste kurz nach dem Fechten Tobias in die Leichtathletikhalle zum abschließenden Combined Event. Beim Einschießen lief noch alles wunschgemäß glatt, aber für die 5 Treffer des ersten und zweiten Schießens benötigte er unerwartet lange 23 bzw. 19 Se-kunden. Er ließ sich davon aber nicht aus der Ruhe bringen und lief die beiden ersten 800 m Läufe sehr konzentriert und gleichmäßig, aber doch auch einige Sekunden zu langsam. Leider lief das drit-te Schießen mit einer Schießzeit von 27 Sekunden noch schlechter. Als kurz nach Beginn des dritten 800 m Laufs sein Betreuer ihn auf die zu geringe Durchschnittsgeschwindigkeit hinwies, zog Tobias das Tempo an und konnte es auch während den gesamten dritten 800 m Laufs auf diesem Niveau halten. Waren es die Nerven, oder der – nach dem viel schnelleren dritten 800 m Lauf – deutlich höhere Puls? Jedenfalls verstrichen beim vierten Schießen fast 30 Sekunden bis Tobias den fünften Treffer gesetzt hatte. Mit sichtlicher Wut im Bauch startete Tobias mit furiosem Tempo in den vier-ten und letzten 800 m-Lauf. Im letzten 800 m Lauf konnte dann jeder sehen, dass Tobias sich die 4x 800 m offensichtlich falsch eingeteilt hatte und das Laufen zu langsam angegangen war. In den letz-ten Runden auf der 200 m Hallenbahn konnte er zwar noch einige Gegner überholen und sein oh-nehin bereits hohes Tempo sogar noch mit einem langen Schlussspurt toppen, aber für eine neue Combined-Bestzeit reichte es nicht mehr. Mit 12:49,0 min verpasste er seine Zeit bei der Dezem-ber-Kaderqualifikation zwar nur um 2 Sekunden, aber die im Vergleich zum Dezember-Wettkampf um über 30 Sekunden längere Gesamtschießzeit lässt vermuten, dass Tobias als Newcomer auch noch lernen muss, die enorme mentale Belastung eines hochklassig besetzten Fünfkampf-Wettkampfs zu bewältigen. Mit 814 Punkten im Dreikampf hat Tobias – ebenso wie Anne – bereits die D/C-Kader-Norm erfüllt und gehört auch im kommenden Jahr zum Bundeskader. Am Ende fehl-ten ihm mit 1004 Punkten im Vierkampf nur 27 Punkte zur Erfüllung der C-Kader-Norm und mit ins-gesamt 1304 Punkten erreichte er in diesem Top-Feld den zwölften Platz und in seinem Jahrgang 1998 den zweiten Platz.

Der Bayerische Landesverband konnte nach Abschluss des Wettkampfwochenendes ein durchaus positives Fazit ziehen: Sowohl die Entscheidung von Lea Smirnov an die Sportschule in Potsdam zu wechseln als auch das Experiment von Anne Kleidon und Tobias Hierl, ein Auslandsjahr an einer englischen Sportschule zu verbringen, unterstützt offensichtlich die gewünschte Entwicklung. Ne-ben diesem lachenden Auge darf aber auch das weinende Auge nicht übersehen werden: Es ist derzeit in Bayern – trotz eines durchaus interessanten Potentials an leistungsfähigen Athleten – nicht möglich, Schule und Training so zu verbinden, dass systematisch Spitzenleistungen generiert werden können. Die klaffende Lücke in einem ansonsten offensichtlich tragfähigen Konzept zur Entwicklung des Fünfkampfs in Bayern könnte hier nur die Trainingsmöglichkeiten an einer bayeri-schen Sportschule schließen. Das wird umso schmerzlicher klar, wenn man sich vor Augen führt, dass bei den Männern die Plätze zwei und vier von den Ex-Bayern Patrick und Marvin Dogue belegt wurden, die vor 4 Jahren mangels Sportschule von Erding nach Potsdam wechselten.





PDF Ausschreibung D-C Kaderqualifikation Berlin
 
PDF Ausschreibung Kaderqualifikation Berlin
 
 
PDF Ergebnis 1. Kaderquali Berlin 03.2015 Männer
 
PDF Ergebnis 1. Kaderquali Berlin 03.2015 Frauen
 
PDF Ergebnis 1. Kaderquali Berlin 03.2015 Jugend B
 
 
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Bei den Internationalen Süddeutschen Meisterschaften 2022 in Passau räumten die Modernen Fünfkämpfer der Nürnberger Vereine ab: Vom TSV Katzwang 05 erkämpften sich in ihren Altersklassen Hanna Knoblich (U11w), Oliver Windt (U13m), Elena Gutierrez Steinhauer (U13w), Anne Krisch (U15w), Moritz Hierl (Senioren), Sebastian Windt (Masters 30+m) und Claudia Knoblich (Masters 40+w) den Süddeutschen Meistertitel. Vom Post SV schafften das Miron Valaev (U11m) und Larissa Drebinger (U19w).